Der beste Anfang für einen Roman

Ein Mensch betritt eine Buchhandlung, nimmt ein Buch zur Hand, liest die ersten Sätze – und ist so fasziniert, dass er unbedingt weiterlesen muss. Das ist die beste Reaktion auf einen Romananfang, den man sich nur wünschen kann. Denn ein guter Roman sollte die Leser*innen vom ersten Satz an in die Geschichte hineinziehen. Das ist genau der Effekt, den wir Autor*innen uns wünschen – egal ob Interessierte unser Buch in der Buchhandlung oder in der Bibliothek in die Hand nehmen oder ob sie bei Amazon auf „Blick ins Buch“ klicken.

Damit das funktioniert, muss der erste Satz und die erste Seite eines Romans besonders sein. Der Romananfang muss neugierig machen, er muss Erwartungen wecken, einen ersten Blick gewähren in eine unerwartete, überraschende Geschichte, in eine spannende, neue Welt. Oder mit den Worten von William Faulkner: „Schreib den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt auch den zweiten lesen will.“ Ein guter Romananfang macht interessierte Menschen zu Leser*innen.

Der erste Satz kommt ganz zum Schluss

Den Anfang ihres Romans schreiben die wenigsten Autor*innen gleich zu Beginn, wenn sie die ersten Sätze ihres neuen Romans verfassen. Meist entsteht der berühmte erste Satz sehr viel später, oft ganz zum Schluss, wenn der Rest des Buchs bereits fertig geschrieben ist. Viele Autor*innen kehren erst dann zum Anfang zurück und machen sich Gedanken, was dort stehen könnte, welcher Satz unerwartet ist, neugierig macht und zugleich die Geschichte bereits anklingen lässt.

Da der erste Satz eines Romans etwas so Besonderes ist, hat sich auch die Literaturwissenschaft damit beschäftigt. Beispielsweise Norbert Miller in seinem Sammelband: Romananfänge. Versuch zu einer Poetik des Romans (Literarisches Colloquium Berlin, 1965) oder Peter-André Alt: Jemand musste Josef K. verleumdet haben…: Erste Sätze der Weltliteratur und was sie uns verraten (C.H. Beck 2020).

Die Initiative Deutsche Sprache und die Stiftung Lesen riefen 2007 zum Wettbewerb auf „Der schönste erste Satz“, an dem mehr als 17.000 Menschen teilnahmen. Der ersten Platz in der Erwachsenenliteratur ging an Günter Grass mit seinem Roman „Der Butt“: Ilsebill salzte nach. In der Sparte Kinder- und Jugendliteratur gewann Janosch mit seiner Erzählung „Lari Fari Mogelzahn“: In der Mottengasse elf, oben unter dem Dach hinter dem siebten Balken in dem Haus, wo der alte Eisenbahnsignalvorsteher Herr Gleisenagel wohnt, steht eine sehr geheimnisvolle Kiste.

Unerwartet, überraschend und packend

Es lohnt sich also, am Ende eines Romans – wenn man schon viele Monate mit dem Schreiben zugebracht hat und erleichtert ist, es endlich geschafft zu haben – noch einmal inne zu halten und an den Anfang zurückzukehren. Und sich zu fragen, welcher Satz könnte DER Satz für meinen Roman sein, der neugierig macht und zugleich eine erste Idee von der Geschichte gibt, ohne schon zuviel zu verraten.

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Von der Idee zum Roman

Um mich zu inspirieren, nehme ich auch schon mal meine Lieblingsbücher aus dem Regal. Das sind Romane von Autor*innen, die meine Vorbilder sind. Mein liebster Romananfang stammt von Andreas Eschbach, aus seinem Roman „Der letzte seiner Art“:

Am Samstagmorgen erwachte ich blind und halbseitig gelähmt. Ich bin schon oft blind gewesen und auch schon oft halbseitig gelähmt, aber in letzter Zeit bin ich öfter beides gleichzeitig, und das fängt allmählich an, mir Sorgen zu machen. (Der Letzte seiner Art, Bastei Lübbe 2002, Seite 5)

Ich freue mich über weitere Beispiele für besondere erste Sätze von Romanen oder Kinderbüchern – einfach als Kommentar ergänzen.

14 Kommentare zu „Der beste Anfang für einen Roman“

  1. “Die arge Spur, in der die Zeit von uns wegläuft.
    Vorgänger ihr, Blut im Schuh. Blick aus keinem Auge, Worte aus keinem Mund. Gestalten, körperlos. Niedergefahren gen Himmel, getrennt in entfernten Gräbern, wiederauferstanden von den Toten, immer noch vergebend unseren Schuldigern, traurige Engelsgeduld.!”
    Christa Wolf, Kein Ort. Nirgends (Aufbau-Verlag 1979)

    Kenne keinen beeindruckender Anfang ….
    LG Andreas

  2. Gerade wieder einmal auf diesen guten Artikel gestoßen und wieder einmal Parallelen festgestellt. »Simenon sagt, alles man für einen guten Krimi braucht, ist ein guter Anfang.« Unter dieses Motto hat die Unterschleißheimer Künstlerpalette ART meine Lesung gestellt und ins Beiprogramm ihrer Kunstasstellung im Juli 2023 im Dachauer Wasserturm aufgenommen. Ich kann der Künstlerpalette und George Simenon nur beipflichten. Nicht umsonst waren die zahlreichen Krimis um Kommissar Maigret so erfolgreich. Und – ach ja – »Der letzte seiner Art« liegt auch bei mir rum, wenn auch mittlerweile auf dem Dachboden. An den ersten Satz kann ich mich aber nicht mehr entsinnen.

  3. Bei mir kamen die ersten Sätze tatsächlich ziemlich zum Schluss hinein. Zu meiner Krimiserie (das Buch ist eine Staffel mit acht Fällen/Folgen) gibt es einen Prolog, wie sich das Ermittlerduo kennenlernt

    Ursprünglich stehe „ich“ da auf einer Brücke und schau auf die Ruhr. Es ist eine kalte Januar-Nacht, kaum was los um die Zeit, der Wind pfeift „mir“ um die Ohren, bevor „ich“ „mich“ auf den Rückweg mache

    Ziemlich zum Schluss kam ich dann auf die Idee, drei Sätze aus dem Prolog separat voranzustellen. Die Leser:innen wissen quasi, was bald auf „mich“ zukommt, aber natürlich nicht genau, wann …

    Textbeginn
    Ein undefinierbares Geräusch hinter mir. Das ist Einbildung, dachte ich und lief weiter. „Bleiben Sie stehen, bitte, Polizei! … und langsam umdrehn.“

    Danach erst beginnt die Handlung mit den anfangs beschriebenen Szenen des Polizisten, allein auf der Brücke stehend

    aus: „Die zivilen Fahnder/innen“ (Staffel 1) – Ruhrpott-Krimiserie mit dem Ermittlerduo Judith Reiter & Nick Fengler

  4. “Ich denke oft daran, was Hendrich damals zu mir sagte, vor über hundert Jahren in seinem Apartment in New York”
    Aus: Wie man die Zeit anhält, von Matt Haig.

    Oder auch:
    “Wenn ich als Kind frech war, widersprach oder mich irgendwie schlecht benahm, wies mich meine Mutter zurecht indem sie sagte: ‘Eines Tages kommt jemand und bringt mich um. Dann wird es dir leid tun'” (…) und einen Absatz später heißt es (ich muss es einfach noch dazuschreiben):
    “Heute weiß ich, dass sie ständig Angst hatte, umgebracht zu werden. Und das aus gutem Grund.”
    Aus: Ruhelos, von William Boyd
    Beide Bücher liebe ich :-)

  5. Nachts seien alle Katzen grau, hatte meine Mutter immer wieder betont. Ich hatte keine Ahnung wie sie das meinte. Bis heute ist es mir nicht wirklich klar. Vielleicht hatte sie es ja auch nur so gesagt. Aber eigentlich hatte sie nie etwas nur so gesagt, obwohl sie es manchmal so behauptete. Das war nicht leicht zu verstehen, behaupte ich heute. Aber damals schien alles klar.
    Willfried heißt meine neue Kureroberung. Willfried mit zwei ‘ll’. Ja, das sei ungewöhnlich. Vermutlich ein Schreibfehler. Aber so stehe es nun mal in seiner Geburtsurkunde und mittlerweile habe er sich daran gewöhnt. Alle nennen ihn übrigens Will und ich dürfe das auch tun.
    Will klingt so englisch, denke ich. So wie ein Ritter der Tafelrunde.

    Dies sind die ersten Sätze meiner Kurzgeschichte:
    ‘Willfried oder die Macht der grauen Kater’

  6. “Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.”

    Benedict Wells’ erster Satz in seinem Roman “Vom Ende der Einsamkeit”.
    Finde ich klasse, zumal dieser Satz die Vermutung nahelegt, dass der Protagonist aus
    dem Jenseits schreibt, was ja zum Glück nicht stimmt.

  7. Menschen sickern nicht in Gullies.
    Diesen Satz sagte ich mir immer wieder mit unterschiedlicher Betonung. Menschen sickern nicht in Gullies!

  8. Der Moralist meint, dass Mord etwas grundsätzlich Verwerfliches ist. Das macht ihn zum Narren. Als könne das Schiff auf dem Fluss die Fließrichtung des Wassers bestimmen. Dabei kann ein Mord einer Gesellschaft sehr gut tun. Weil er nichts anderes ist, als ein Instrument. Richtig angewandt liefert es gute Ergebnisse. So, wie das Skalpell des Arztes oder der Hobel des Tischlers. Deshalb sollte man es zu schätzen wissen und sorgfältig pflegen. Stetig – nur nicht offensichtlich. Was mir als Arzt nicht schwerfiel, weil ich nie zum Moralisten verkümmert bin.

    Das ist der Beginn einer meiner, vielleicht viel zu vielen Ideen für einen Krimi. Leider fristet der sein Dasein auf dem Friedhof unvollendeter Gedanken :-( Aber ich finde es schön, dass ich wenigstens den Anfang hier noch einmal auspacken konnte.

  9. Der Wurm im grauen Anzug hatte eine Mission. Seinem Kollegen, Freund beinahe, aus der Romanistik war nicht zu helfen. Dessen Kumpanen noch weniger. Es war deren blasierter Eigensinn, der für alle Zurückbleibenden das Leben nur schwerer machte. Nein! Das würde er nicht hinnehmen.

  10. “Rauch. Rauch, der seine Lungen verätzte, und Qualm, der in seinen Augen brannte.” Das ist der erste Satz aus meinem Debüt-Krimi “Roman mit Todesfolge” (Telegonos-Verlag, 2022, ISBN: 978-3-946762-68-3). Auch dieser Beginn, so denke ich, macht neugierig. Die Forderung, der erste Satz sei so ziemlich der wichtigste im ganzen Roman, unterstütze ich uneingeschränkt. Und dass der zweite neugierig machen muss auf den dritten … u.s.w., u.s.w. Nur, dass ein erster Satz zumeist als letzter geschrieben werde, entspricht absolut nicht meiner persönlichen Erfahrung. Mein erster Satz ist normalerweise der zuerst geschriebene. Bei meinen Kurzgeschichten bleibt er es regelmäßig, bei meinen Romanen bleibt er bestehen, rutscht aber bei der Überarbeitung nach hinten. Bei meinem Fantasyroman schlichen sich anderthalb Kapitel vor den (ersten) ersten Satz, beim “Roman mit Todesfolge” der neu hinzugekommene Prolog. Doch auch die ursprünglich erste Frage, also nun der erste Satz des ersten Kapitels hätte die Leser in die Handlung hineingezogen: “Wer ist Valentina Nightingale?” Da der Besucher der Buchhandlung vor dem Blättern wohl erst Titel, Cover und Klappentext anschaut, wäre er mit diesem nun nicht mehr ersten Satz mitten im Geschehen. Danke auf jeden Fall für den kleinen Denkzettel!
    Beste Grüße
    Michael Kothe, Autor

  11. Ich liebe den Anfangssatz von Hemingways “Der Alte Mann und das Meer” :
    “He was an old man who fished alone in a skiff in the Gulf Stream and he had gone eighty-four days now without taking a fish.”
    Dieser Satz gibt so viel an Information und Atmosphäre wieder und zentriert die Handlung sofort auf einen Punkt. Ich finde das genial!

    Danke für Ihren immer so inspirierenden Newsletter!

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