Adjektive – die verkannte Wortart

Bei den literarisch Schaffenden sind Adjektive höchst umstritten – und Adverbien gleich mit. Beide Wortarten haben den Ruf, dass sie Ballast sind, Schnickschnack, der einen Text unnötig aufbläht. Deshalb gelten Texte mit reichlich Adjektiven und Adverbien als kitschig, manchen gar als minderwertig.

„Der Weg zur Hölle ist mit Adverbien gepflastert, und das rufe ich von den Dächern!“ so Stephen King in „Das Leben und das Schreiben“ (Heyne Verlag 2011).

Und Mark Twain schreibt: „Wenn du ein Adjektiv triffst, töte es […]. Nein, ich meine nicht gänzlich, aber töte die meisten von ihnen – dann wird der Rest wertvoll sein.“ (Carlo De Vito (Hrsg.): Mark Twain’s Notebooks: Journals, Letters, Observations. Black Dog & Leventhal 2015)

Dumm nur, dass Romane und Kurzgeschichten lebendig geschrieben sein sollen, anschaulich und facettenreich. Erzählende Texte sollen das Kopfkino ankurbeln und die Lesenden in die Geschichte hineinziehen. Aber wie kann das gelingen, ganz ohne Adjektive und Adverbien? Denn ungeachtet dessen, dass sie als Ballast gelten, sind es gerade diese beiden Wortarten, die eine Landschaft vor dem inneren Auge lebendig werden lassen, die es ermöglichen, eine Szene oder eine Figur anschaulich zu beschreiben.

Wie viele Adjektive sollen es denn nun sein?

Ich persönlich halte es wie Mark Twain: Nicht alle Adjektive und auch nicht alle Adverbien sind überflüssiger Ballast. Doch welche Adjektive sind verzichtbar? Welche schmeiße ich beim Überarbeiten raus und welche bleiben drin? Welche Adverbien machen eine Szene anschaulich und lebendig und welche sind überflüssig?

Bei einem Teil der Adjektive und Adverbien fällt die Entscheidung leicht. Sie sind auf den ersten Blick überflüssig und sollten beim Überarbeiten rausfliegen. Das gilt beispielsweise für Adjektive und Adverbien, die den anderen Worten keine neue Information hinzufügen. Schreibe ich zum Beispiel über eine grüne Wiese, dann kann ich auf die Farbe in diesem Fall verzichten. Eine Wiese ist in aller Regel grün, also wozu sollte man sich die Mühe machen, das in Worte zu fassen? Doch wenn die Wiese im Hochsommer kein Wasser mehr bekommen hat und vergilbt wirkt, dann lohnt es sich, das zu beschreiben: die verdorrte Wiese.

Ähnlich bei folgendem Beispiel: „Nein“, flüsterte sie leise. Flüstern ist immer leise, also wozu dem Verb noch eine weitere Beschreibung hinzufügen? Das Adverb leise ist hier vollkommen überflüssig. Anders dagegen bei folgenden Beispielen – hier fügt das Adverb dem Redebegleitsatz noch eine weitere Information hinzu: In welcher Emotion die Figur das Wort geäußert hat.

„Nein“, flüsterte sie entsetzt oder „Nein“, flüsterte sie amüsiert. In beiden Fällen liefert das Adverb eine wesentliche Information, die es den Lesenden leichter machen, die Situation zu verstehen.

Kommen in unseren Texten reichlich Adjektive und Adverbien vor, dann sollten wir uns immer fragen, ob die gewählten Worte den Text stärker und anschaulicher machen. Oder ob sie an dieser Stelle überflüssig sind, weil sie den übrigen Worten keine weitere Information hinzufügen. Wenn Adjektive und Adverbien lediglich bereits Bekanntes wiederholen, dann sind sie überflüssig und können gestrichen werden.

Adjektive und Adverbien sind wie das Salz in der Suppe: Ganz ohne diese Wortarten bleiben die Beschreibungen fade. Sind es zu viele, wird der Text ungenießbar. Die richtige Dosis macht den guten Text. Nicht notwendig zu erwähnen – und dennoch tue ich es ;-) – die Geschmäcker sind verschieden. Was den einen zu viel scheint, ist den anderen zu wenig.

Deshalb müssen alle Schreibenden ihren eigenen Weg finden. Sie müssen selber entscheiden, was das richtige Maß ist, das heißt, was ihr eigenes richtiges Maß ist. Wann aus dem „Viel“ ein „Zuviel“ wird, und wann ein „Wenig“ dazu führt, dass der Text spröde und uninspiriert wirkt.

Viele gute und erfolgreiche Bücher zeigen, dass es eine große Bandbreite gibt: Es gibt ausgezeichnete Texte mit wenig Adjektiven und Adverbien, aber auch hervorragende Texte, die reichlich davon haben. Das beschreibt keineswegs den Unterschied zwischen literarischen Romanen und Romanen des Mainstream. Bei den literarischen Romanen finden sich Texte mit reichlich Adjektiven und Adverbien. Und auch unter den Autor*innen der so genannten Mainstream-Romane sind etliche vertreten, die wundervolle Geschichten erzählen mit sehr wenig Adjektiven und Adverbien.

Im Folgenden noch einige Beispiele als Anreiz, den Umgang mit Adjektiven und Adverbien zu hinterfragen, um den eigenen Schreibstil zu entwickeln und zu verbessern.

Romane des Mainstream

J.K. Rowling ist bekannt dafür, dass sich in ihren Büchern zahlreiche Adjektive und Adverbien finden.

Harry blickte hinüber zum Tisch der Slytherins und sah dort einen fürchterlichen Geist sitzen, mit leeren, stierenden Augen, einem ausgemergelten Gesicht und einem mit silbrigem Blut bespritzen Umhang. Er saß auf dem Platz neben Malfoy, der, wie Harry vergnügt feststellte, über die Sitzordnung nicht gerade glücklich war.
(Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Stein der Weisen. Carlsen 2000, Seite 137. Aus dem Englischen von Klaus Fritz.)

Die Sprache von Suzanne Collins hingegen ist oft sehr reduziert, sie verwendet nur wenig Adjektive und Adverbien.

Der Wald verändert sich und die Kiefern wechseln sich jetzt mit verschiedenen anderen Baumarten ab, von denen ich manche kenne, andere noch nie gesehen habe. Plötzlich höre ich ein Geräusch und ziehe mein Messer, um mich, wenn nötig, zu verteidigen, doch ich habe nur ein Kaninchen aufgeschreckt.
„Schön, dich zu sehen“, flüstere ich. Wo ein Kaninchen ist, könnten Hunderte sein, die nur darauf warten, in meine Fallen zu gehen.
(Suzanne Collins: Die Tribute von Panem. Oetinger 2009, Seite 171. Deutsch von Sylke Hachmeister und Peter Klöss.)

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Literarische Romane

Peter Stamm wird gelobt für seine reduzierte Sprache, beispielsweise nachzulesen bei Wikipedia: „Kennzeichnend ist seine distanzierte Erzählweise und sein einfacher Stil, der aus kurzen Hauptsätzen besteht und beinahe vollständig ohne schmückende Adjektive, Metaphern oder Vergleiche auskommt.“ (Wikipedia, Peter Stamm, abgerufen am 03.08.2022) „Kein Wort zu viel oder zu wenig. Peter Stamms Prosa ist vollkommen.“ (Focus – zitiert nach der unten genannten Ausgabe von „Agnes“, Seite 2).

Keine Videos?“, hat der Verkäufer mit dem nach hinten gekämmten, pomadisierten Haar gefragt, als ich mir vor Stunden unten im Laden Bier holte. Er erkundigte sich nach Agnes. Sie sei weggegangen, sagte ich, und er lächelte anzüglich. „Sie gehen alle irgendwann“, sagte er, „mach dir nichts draus, die Welt ist voll schöner Frauen.
(Peter Stamm: Agnes. Fischer 2014, Seite 11)

Dagegen finden sich in den Büchern von Donna Tartt zahlreiche Adjektive und Adverbien. Im Folgenden ein Zitat aus dem Roman „Der Distelfink“, für den Donna Tartt 2014 den Pulitzer-Preis erhielt.

Ich war zum ersten Mal in Amsterdam, ich hatte fast nichts von der Stadt gesehen, und dennoch vermittelte mir schon das Zimmer in seiner tristen, zugigen, unpolierten Schönheit ein akutes Gefühl von Nordeuropa, wie ein Miniaturmodell der Niederlande: weiße Tünche und protestantische Rechtschaffenheit, durchmischt mit farbenfrohen luxuriösen Stoffen, geliefert von Handelsschiffen aus dem Orient. Ich verbrachte unvernünftig viel Zeit damit, ein winziges Paar goldgerahmter Ölbilder zu betrachten, die über dem Sekretär hingen.
(Donna Tartt: Der Distelfink. Goldmann 2013, Seite 11 f. Ins Deutsche übertragen von Rainer Schmidt und Kristian Lutze.)

2 Kommentare zu „Adjektive – die verkannte Wortart“

  1. Vielen Dank für diesen Artikel. So kann ich mir das besser vorstellen. Denn ich hadere immer ein bisschen mit dem Grundsatz, dass man auf Artikel verzichten und statt dessen lieber show don`t tell usw. verwenden soll.
    Im Deutschunterricht bekommt man beigebracht, dass Artikel den Text lebvendiger machen, je vielfältiger, desto besser, als Schreiberling sind sie plötzlich zu umgehen. Das ist, für mich jedenfalls, nicht immer verständlich gewesen. Aber so macht das natürlich einen Sinn.
    Viele Grüße aus dem Allgäu
    Anja Ziegler

  2. Vielen Dank für deine Aufklärung und die anschaulichen Beispiele.
    Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen umgehend in mein Manuskript.

    Fazit: Finde ein Mittelmaß, der zu deinem Text passt. Aber scheue auch nicht davor zurück, abseits der Wege deinem Text die nötige Abwechslung zu bieten.

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